Samstag, 29. März 2014

Rezension: Straßen von gestern von Silvia Tennenbaum

Mein Leseexperiment für März war ein Treffer! Da bin ich besonders froh drüber, da ich zum ersten Mal das Cover in meine Kaufentscheidung habe einfließen lassen und dem gegenüber immer sehr skeptisch war. 

"Straßen von gestern" von Silvia Tennenbaum Schöffling & Co

656 Seiten

19,95 € (Gebundene Ausgabe)

(Ich hab mir eine gebrauchte gebundene Ausgabe für 3,97 € bestellt, da es lustigerweise günstiger als ein gebrauchtes Taschenbuch war.)






Die Familie Wertheim ist eine alte, angesehene, jüdische Familie in Frankfurt. Schließlich haben sie schon zu Zeiten der Judengasse in Frankfurt gelebt. Seit ihrer Abschaffung haben sie es mit ihrem Woll- und Bankgeschäft zu reichen, einflussreichen Leuten geschafft. Die Familienchronik beginnt 1903 als die junge Generation aus fünf Brüdern besteht, die zum Teil bereits verheiratet sind und Kinder haben. Der jüngste Sohn Eduard scheint der vielversprechenste Nachfolger im Familiengeschäft zu sein.

Es folgen 42 Jahre, in denen sowohl die Familie als auch das Land und die Stadt Frankfurt viel erleben. Es ist überflüssig zu erwähnen, wie es natürlich für eine jüdische Familie immer schwieriger wird, in Deutschland dieser Zeit zu leben.

Am Anfang fand ich das Buch lediglich nett. Die Lebensläufe der einzelnen Familienmitglieder wurden unterschiedlich ausführlich beleuchtet, gelegentlich gab es kurze Zusammenfassungen zu jedem Einzelnen. Mir erschien es gelegentlich, als ob sich die Autorin mit der Zahl der Figuren übernommen hatte. Auch das allgemeine Thema blieb mir zunächst verborgen, denn es gab viele unterschiedliche Themenbereiche, die angesprochen wurden: Die Verbannung des eigenen Sohnes, die Sicht auf das aufstrebende Amerika in der damaligen Zeit, der erste Weltkrieg, die Kunst, die Liebe, die Schwierigkeiten alter gegen neuer Werte, Homosexualität.

Etwa nach dem ersten Drittel des Buches hat es mich gepackt. Eigentlich war es, als ob viele kleine Geschichten erzählt wurden, jede war für sich anders, spannend oder interessant. Dennoch wäre es für den Gesamteindruck des Buches besser gewesen, wenn alle mit einem stärkeren roten Faden verbunden wären. Sicher - jede normale Familie besteht auch aus verschieden zusammengewürfelten Charakteren und manche bieten spannendere Geschichten als andere. Man könnte es also auch als besonders realitätsnah ansehen, einen Roman so aufzubauen. Mich persönlich hat es im Lesefluss etwas gestört.

Zum Ende als die Verfolgung der Juden durch die Nazis und der zweite Weltkrieg begann, entpuppte sich das Buch noch als besonders wertvoll. Einige wissen ja schon, dass ich eine gewisse Faszination für diese Zeit hege. Ich strebe vor allem an zu verstehen, was es hieß zu dieser Zeit zu leben und wie es möglich war, dass diese ganzen Schrecken geschehen konnten. "Straßen von gestern" haben es geschafft, einen neuen Blick auf diese Zeit zu werfen. Ganz ohne die Greuel an sich in den Vordergrund zu rücken, was das Buch immer noch leicht verdaulich machte.

Insgesamt kann ich das Buch aufgrund der steigenden Qualität und insbesondere wegen der letzten 200 Seiten sehr empfehlen. Aufgrund des für mich holprigen Starts gibt es aber "nur" vier von fünf Leseratten.


PS: Das Buch spielt übrigens vorwiegend in dem Stadtteil Frankfurts, in dem ich selber lebe. Es war schön im Geiste die Straßen, die ich zum Teil täglich selber entlang laufe, die Figuren entlang laufen zu sehen. Es hat mir noch eine weitere Möglichkeit gegeben nachzuvollziehen, wie es war Teil dieser Zeit zu sein. 

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