„Die andere Seite des Himmels“ von Jeanette Walls
Hoffmann und Campe Verlag
365 Seiten
19,99 € (Hardcover)
Jean (11) und Liz (15) Holladay leben gemeinsam mit ihrer Mutter in Lost Lake, Kalifornien. Die Mutter ist ganz ein Kind der Sechziger Jahre und fühlt sich eher als Künstlerin und Musikerin, denn als Mutter. So kommt es, dass sie ihre beiden Töchter des Öfteren auf sich allein gestellt in der Wohnung zurück lässt, um ihre eigenen Träume zu verwirklichen. Als die Mutter der Beiden mal wieder abhaut, lange nicht zurückkommt und dann noch das Jugendamt auftaucht, beschließen Jean und Liz zur Familie ihrer Mutter nach Virginia zu fliehen. In der alten Heimat ihrer Mutter angekommen lernen sie erstmals ihren Onkel und Teile ihrer Familie kennen und erfahren, was für ein schöner Ort doch dieses Städtchen ist, dem ihre Mutter so krampfhaft zu entfliehen versuchte.
Ich habe lange keine Protagonisten mehr so ins Herz geschlossen, wie Jean und Liz. Die Geschichte wird aus Jeans Sicht erzählt und sie ist für ihr Alter nicht nur ziemlich reif, sondern vor allem sehr liebenswert. Die Mädchen müssen oft allein zurechtkommen und sind sich dadurch gegenseitig die größte Stütze geworden. Liz ist die Bedachte, Kluge der Mädchen. Jean ist eher die Impulsivere, ein bisschen naive der Schwestern. Jean liebt ihre große Schwester bedingungslos und bewundert sie für ihre Klugheit.
Besonders die Beschreibungen vom Leben der Mädchen, in dem die Mutter längst nur noch eine Nebenrolle spielt, haben mich sehr berührt. Vor allem, weil die Beschreibungen so schön und friedlich sind. Obwohl einem die Mädchen eigentlich leid tun könnten, wird ihre Situation nicht als große Tragödie dargestellt, sondern so wie sie aus ihrer Sicht ist: nicht perfekt, aber in Ordnung.
Obwohl das Buch keine rasante Spannung bietet und wieder eher eine dieser leisen Geschichten erzählt, hat es mich sofort gefesselt. Ich mag den Erzählstil sehr. Er ist detailliert und trotzdem humorvoll, leicht und locker aber nicht zu oberflächlich. Außerdem sind die Charaktere alle sehr besonders, von Jean und Liz über ihre hippiehafte Mutter bis zu Nebenfiguren wie dem „Perversen“ im Bus sind alle irgendwie eigen, genau charakterisiert und trotzdem nicht zu langwierig beschrieben.
Es hätte alles perfekt sein können, mein einziger Kritikpunkt? Gegen Ende verliert sich die Geschichte etwas. Die Beschreibungen von Jean und Liz‘ Familie, die Probleme in der kleinen Stadt in Virginia mit den verarmten Weberei-Arbeitern und all dem hätte für mich völlig genügt. Dann wurde aber noch ein „Konflikt“ aus der Tasche gezogen, den ich in dieser Geschichte gar nicht gebraucht hätte und der dem Buch auch nicht mehr Bedeutung verliehen hat.
Die Kernaussage des Buches ist so oder so (für mich) ganz einfach „Home is where the heart is“.
Ich bewerte dieses Buch ganz klar mit 4 von 5 Leseratten, ein Buch für alle, die starke Persönlichkeiten, Bücher über Familie und die Suche nach einer eigenen Heimat mögen.
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