Sonntag, 5. Oktober 2014

Rezension: Gebete für die Vermissten von Jennifer Clement

„Gebete für die Vermissten“ von Jennifer Clement hat mir die liebe Antonie ausgeliehen, um meine Meinung zum Buch zu hören. Obwohl mich die ersten Seiten sofort gefangen nahmen und ich das Buch schnell beendet hatte, habe ich mit der Rezension immer noch echte Schwierigkeiten.

„Gebete für die Vermissten“ von Jennifer Clement
228 Seiten
19,95 € (Hardcover)









Ladydi wächst in einem Dorf in den mexikanischen Bergen auf, da wo es wenig von allem gibt: wenig Arbeit, wenig Hoffnung, wenig Zukunft. Als Mädchen ist es für sie besser unscheinbar zu sein, vielleicht sogar hässlich, dann wird man von den Gangs der Drogenhändler in Ruhe gelassen. Was passiert, wenn man als hübsches Mädchen ins Visier der Gangs gerät, sieht Ladydi an ihrer Freundin Paula, diese wird verschleppt und missbraucht. Ladydi selbst ist aber zum Glück unscheinbar genug, um unentdeckt zu bleiben und kann später sogar eine Anstellung als Kindermädchen in der Stadt annehmen. Ob sie dort ein besseres Leben erwartet?

„Gebete für die Vermissten“ ist ein Buch, dessen unglaublich starke erste Absätze mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Sie wirkten auf mich so erschreckend und fesselnd, dass ich sofort mehr wissen musste. Die Kunst innerhalb eines Absatzes sofort das Thema des Buches einzuleiten und die Stimmung für die gesamte Handlung vorzugeben, hat mich schwer beeindruckt. Diese ersten, wenigen Sätze fangen komplett den Geist des Buches ein.

„Jetzt machen wir dich hässlich, sagte meine Mutter. […] In Mexiko ist es das Beste, ein hässliches Mädchen zu sein.“ S.9

Über Bandenkriege und Drogenkartelle in Mexiko hört man in den Nachrichten viel, über die Auswirkungen auf die Bevölkerung und die damit einhergehenden Probleme denkt man dabei nicht unbedingt lange nach. Wie die Frauen unter der Gewalt der Drogenbanden leiden, aber auch darunter leiden, dass sie viele ihrer Männer nach Amerika verlieren und die Zurückgebliebenen frustriert sind, hat mich sehr erschreckt und berührt. Die trostlose und ziellose Stimmung, die das Buch dadurch transportiert wirkt authentisch, leider fehlt der Geschichte dadurch ein echter Spannungsbogen.
Vielleicht geht es nur mir allein so, aber bei aller Bitterkeit und Traurigkeit, die „Gebete für die Vermissten“ versprüht, ist auch immer ein Quäntchen Humor, ein bissiger Witz in den Zeilen versteckt. Ob es Ladydis Name ist, der dem bitteren Humor ihrer Mutter entsprang, oder die trockenen Anmerkungen, die von der erzählenden Stimme in die Beschreibungen eingewoben werden, immer wieder provoziert es ein trauriges Lachen.

Ich schwanke immer noch sehr, wie ich „Gebte für die Vermissten“ bewerten soll oder kann. Die Atmosphäre des Buches ist so authentisch, dass es mir ab und zu den Atem geraubt hat. Die Handlung ist dabei manchmal so träge, dass ich mich fragte wo das alles hin zielt (und es wird leider auch nicht von einem großen Clou gelöst). So habe ich beim Lesen zwischen den verschiedenen Extremen geschwankt. Das Buch hat mir selbst zum Teil nur mittelmäßig gefallen, ist aber keineswegs ein mittelmäßiges, sondern eher bemerkenswertes Buch!
Da ich insgesamt von der Wucht des Themas und der Erzählung beeindruckt bin, kann ich das Buch einfach nicht nur mittelmäßig bewerten und lande ganz knapp bei 4 von 5 Leseratten.
 

Das Buch in einem Tweet: "Gebete für die Vermissten" ist bitter komisch und unterhaltsam traurig zugleich. Ein Buch das bewegt, obwohl manchmal Spannung fehlt.

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