In „Der Fall“ von Gert Heidenreich habe ich mich gleich in der Verlagsvorschau verliebt. Ein Kriminalroman mit einer ungewöhnlichen Idee und malerischer Kulisse, tolle Grundzutaten für ein ungewöhnliches Leseerlebnis. Dank der freundlichen Unterstützung des Klett-Cotta Verlags hatte ich die Möglichkeit dieses Buch vorab zu lesen und bin immer noch ein bisschen hin und her gerissen. Heute erscheint dieser besondere Krimi und ich möchte meine Eindrücke gerne mit euch teilen.
„Der Fall“ von Gert Heidenreich
320 Seiten
19,95 € (Hardcover)
Eigentlich möchte Swoboda (mal wieder) die Klippen von Les Petits Dalles in wunderschöner Morgensonne zeichnen. Er ist gerade auf dem Weg zu seinem angestammten Platz, als er oben auf den Klippen einen Mord beobachtet. Schneller als geahnt, kommt der unfreiwillige Zeuge ins Visier des Mörders und wird tödlich getroffen. Das verhagelt Swoboda ganz schön den Tag, hält ihn aber nicht davon ab diesen letzten Kriminalfall seines Lebens… beziehungsweise Todes… zu ergründen.
Die Idee, dass der pensionierte Kriminaler Swoboda in seinem eigenen Mordfall ermittelt, hat mich von Anfang an begeistert. In meiner Vorstellung bot das Stoff für skurril-witzige Episoden oder spannende „Erlebnisse“ des frisch Verblichenen. Die eigentliche Umsetzung der Abschnitte unseres jenseitigen Protagonisten war dann völlig unerwartet sehr künstlerisch und philosophisch, manchmal aber leider auch schleppend und etwas ziellos.
Irgendwie gibt es für mich bei „Der Fall“ eine ganze Menge für und wider. Die Idee hat mich wie gesagt schon vor der ersten Seite überzeugt und mir auch während des Lesens gut gefallen. Die Themen waren dabei noch deutlich abwechslungsreicher als zuerst vermutet. Neben Kunst und Kultur lernen wir auch noch eine ganze Menge über Steuerbetrug, Schwarzgeld und Finanzhaie. Zusätzlich hat die Geschichte tolle Charaktere, wie den toten Swoboda und den raffgierigen Buchhalter Rakowski, zu bieten. Soweit wäre die Sache eigentlich ziemlich klar und „Der Fall“ ohne Bedenken zu empfehlen. Leider hängt da noch ein kleines „aber“ in der Luft.
Da wäre allem voran der Schreibstil des Buches zu nennen. Eigentlich bin ich bekannt dafür, dass ich es etwas komplizierter und schnörkeliger mag. Meine eigenen Sätze haben Bandwurmpotential und ich mag es auch mal schwafelig.
Der Stil von „Der Fall“ hat mir aber echte Probleme bereitet. Die Sätze sind lang und schachtelig, das bringt manchmal einen sehr feinen Humor, hat mich aber auch manchmal einfach überfrachtet. Denn jeder Satz scheint mit einer unübersichtlichen Menge an Informationen angereichert, sodass ich zum Teil den Überblick verloren habe. Da kommen Namen von Landstrichen, Straßen, Personen, Speisen und Weinen, der Hintergrundmusik und des Künstlers vom Stillleben an der Wand wild in jeden sich bietenden Winkel des Satzes. Wer sich in französischer Geographie besser auskennt und Speisen und Getränke besser einzuordnen weiß, wird das vermutlich flott überlesen, ich war zum Teil einfach irritiert. Der zweite Teil des kleinen „abers“ ist die Spannung, die durch diesen etwas sperrigen Schreibstil leider nicht so recht aufkommt. Die spannenden Abschnitte werden durch viele gestelzte Zwischenstücke immer wieder ausgebremst, manchmal passt das atmosphärisch, manchmal ist es einfach ein bisschen ungünstig.
Unterm Strich ist „Der Fall“ mit 3 von 5 Leseratten für mich ein klares Unentschieden. Tolle Aspekte werden von größeren Kritikpunkten zwar gebremst, haben mir aber die Lesefreude nicht völlig verhagelt. Ich glaube das Buch könnte Lesern von anspruchsvollen Krimis immer noch gut gefallen, wenn man sich auf die besondere Sprache und Atmosphäre einlässt und dann die Qualitäten des Buches besser genießen kann.
Das Buch heute in einem Bild, statt einem Tweet:
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