Samstag, 2. November 2013

Rezension: Die unsichtbare Brücke von Julie Orringer

Neben dem Großen Los von Meike Winnemuth war dieses Buch mein literarisches Highlight dieses Jahr und es passte dazu noch zu den Reiseplänen, die ich nicht wahr gemacht, aber nicht vergessen habe und dem Hauptthema einiger Bücher, die ich dieses Jahr gekauft habe: Das Judentum.

"Die unsichtbare Brücke" von Julie Orringer Kiepenheuer&Witsch

815 Seiten

12,99 € (Paperback)








Das Buch beginnt wie eine ungehörig klingende, seichte Liebesgeschichte, die es doch so im wahren Leben niemals geben kann: Andras Lévi, ein junger Jude aus Budapest, geht 1937 nach Paris, um dort Architektur zu studieren, weil er es in seiner Heimat Ungarn aufgrund der Studentenquoten für Juden nicht kann. Er kennt die Sprache kaum und hat keinen weiteren Plan, es ist eine Reise ins Unbekannte. Doch er findet ein Zimmer und einen Mentor in einem seiner Professoren, der ihm die Sprache beibringt und Freunde. Und die Liebe: Klara Morgenstern ist Balettlehrerin mit einem Geheimnis, sie hat Ungarn aus unbekannten Gründen verlassen müssen. Eigentlich soll sich Andras in ihre Tochter verlieben, doch er interessiert sich mehr für die elegante und intelligente Claire. Er wird fast krank vor Liebe und Verlangen und es beginnt nach einer Weile beinahe schon eine amour fou. Doch das ist nicht alles: Die Weltgeschichte holt dieses ungewöhnliche Liebespaar ein. Der Zweite Weltkrieg bricht aus und Andras muss zurück nach Budapest, wo er zum Arbeitsdienst eingezogen wird.

Mehr möchte ich wirklich nicht verraten, es ist schon fast zu viel. Aber es ist wichtig zu wissen, dass dieses Buch mehr ist, als eine schnöde Liebesgeschichte mit Tücken und Hindernissen und mehr ist, als eine weitere tragische Geschichte zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges. Dieses Buch reißt einen mit und erschüttert einen bis ins Mark. Die Beschreibungen sind durchweg so lebendig und glaubwürdig, dass man den Schmerz und die Freude der Figuren am eigenen Leib spürt - ein Buch, dass einen auch wahrhaft zum Weinen bringt.

So ein intensives Zeitzeugnis habe ich bisher nur bei Hans Falladas "Jeder stirbt für sich allein" erlebt. Es beleuchtet ein anderes Kapitel dieser brutalen Zeit und lässt einen wahrhaft spüren, was es hieß, zu dieser Zeit zu leben. Darüber hinaus eröffnet es einem einen neuen Blick außerhalb der deutschen Schrecken, einen unverstellten Blick auf ein Europa, dass über Deutschland hinaus anitsemitisch war und gleichzeitig einen Blick in die jüdische Religion.

Alle Figuren und alle verschiedenen Schicksale sind sehr gut beschrieben und beleuchtet. Es gibt wirklich nichts, was man an diesem Buch kritisieren kann. Dazu kommt noch, was ich erst auf der letzten Seite erfuhr: Es ist wirklich alles wahr, es ist die Familiengeschichte der Autorin, all diese Dinge, in ihrer Schönheit, Besonderheit und ihrem Schrecken, sind wirklich passiert.

Ich möchte diesem Buch fünf von fünf Leseratten geben, weil ich finde, dass es einen unschätzbaren Wert hat und von jedem mindestens einmal gelesen werden muss. Um sich bewusst zu machen, was in Europa in diesen Jahrzehnten geschah und um zu verhindern, es je wieder geschehen zu lassen.


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