Donnerstag, 11. September 2014

Rezension: Priscilla. Von Liebe und Überleben in stürmischen Zeiten von Nicholas Shakespeare

Susi hat mich mit „Madame Hemingway“ auf den Geschmack gebracht. Seitdem halte ich immer die Augen offen und suche nach guten, belletristisch aufbereiteten Biografien. Also Büchern, die das Leben eines Menschen nicht nur in Fakten erfassen, sondern auch die Geschichte eines Lebens erzählen.
Über „Priscilla“ bin ich beim Stöbern in der Mittagspause gestolpert. Beim Recherchieren habe ich mich dann gewundert, dass so gut wie keine Rezension zu diesem Buch zu finden war. Jetzt, nachdem ich das Buch beendet habe, wundert mich das umso mehr.

„Priscilla. Von Liebe und Überleben in stürmischen Zeiten“ von Nicholas Shakespeare
512 Seiten
22,99 € (Hardcover)








Nicholas Shakespeare lernte als kleiner Junge seine Tante Priscilla kennen. Sie war eine zurückgezogene, irgendwie geheimnisvolle Frau. Nach ihrem Tod erfuhr der Autor, dass auch für seine Mutter die eigene Schwester lange Zeit ein Geheimnis war. Er beschließt Nachforschungen über Priscillas Leben anzustellen, dabei kommt ihm eine Kiste voll Tagebücher, Briefe und Notizen zu Hilfe, die in Priscillas Nachlass gefunden wird. Priscilla selbst wollte ein Leben lang ihre Biografie niederschreiben und veröffentlichen, dies gelang ihr leider nie. Nicholas Shakespeare erfüllt seiner Tante nun postum diesen Wunsch. Zu Erzählen hatte Priscilla genug, das Leben der jungen Frau vor dem zweiten Weltkrieg und auch während der Zeit im besetzten Paris ist von vielen Hochs und Tiefs geprägt.
Obwohl der Autor seine Tante nur in jungen Jahren kennenlernte und zu ihren Lebzeiten nicht viel über sie erfuhr, ist diese Biografie voll Herz und Wärme geschrieben. Priscilla wird nicht als Heldin verklärt, sondern auch ihre Fehltritte und Schwächen werden besprochen, aber die Geschichte die er erzählt, lässt das Bild einer facettenreichen und empfindsamen Frau entstehen. Die vielen authentischen Dokumente, die in diese Biografie eingearbeitet wurden, lassen dabei das Gefühl aufkommen, dass Priscilla selbst zu Wort kommt. Und das ist auch tatsächlich häufig der Fall. Der Autor hat Teile von Priscillas selbst verfassten Erinnerungen wunderbar in seine Erzählung eingewoben und schafft dadurch einen noch direkteren Bezug zu seiner Tante. Diese fand gegen Ende ihres Lebens Trost im Schreiben.

„Nur im Geheimen, in ihrem Zimmer, versuchte Priscilla, ihr Leben in Ordnung zu bringen, indem sie das Geschehene aufzeichnete. Es war ein Akt der Selbstbestätigung, eine Form, zu sagen: ‚Ich bin noch da, ich bin nicht verschwunden!‘“ S. 449

Obwohl es die Biografie einer ganz normalen Frau ist, kommen viele Verbindungen zu schillernden Persönlichkeiten der damaligen Zeit zum Vorschein und haben mich ganz schön ins Schwärmen gebracht. Von Sugar Ray Robinson über Alfred Hitchcock haben Priscilla und ihre Freunde weitreichende Verbindungen.
Später kommen auch weniger glorreiche Kontakte zu bedeutenden Nazis dazu, aber auch das ist nun mal Teil ihres Lebens. Diese Abschnitte waren für mich besonders spannend. Das Leben der Frauen im besetzten Frankreich und generell das Leben der jungen Frauen zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges wird sonst wenig besprochen, bekommt aber in diesem Buch ein plastisches Gesicht. Welche Verbindungen Priscilla einging, um ihr Überleben zu sichern, oder auch weil sie sich nicht gegen Liebe wehren konnte (oder wollte), ist spannend zu erfahren.
Die vielen Fotos von Priscilla haben mich zusätzlich ins Herz getroffen. Auf den Fotos ist eine junge, hübsche Frau zu sehen, die einen über die Zeit hinweg direkt anzusehen scheint. Die vielen Verehrer, die sie während ihres Lebens verzauberte, kann man gut verstehen.
 
Obwohl die Jahre des zweiten Weltkriegs besonders thematisiert werden ist „Priscilla“ kein Buch über den Krieg. Es geht vor allem um Liebe und Treue, um die Suche nach Glück und die vielen kleinen und großen Entscheidungen, die am Ende ein Leben ausmachen.
Ich kann „Priscilla“ nur jedem ans Herz legen. Diese Biografie hat mich bewegt, wie keine andere zuvor und ich bin froh, dass Priscilla all die Dokumente ihres Lebens aufbewahrte und Nicholas Shakespeare sie nutzte, um Geschichte seiner Tante zu erzählen.

„Auf Boisgrimot hatte Priscilla gehört, wie ihr Vater im Radio erklärte, man dürfe niemals Briefe und Tagebücher vernichten, auch wenn sie vielleicht nur Klatsch und Tratsch enthielten: ‚Sie können unbezahlbar sein, unvergängliche Zeugnisse menschlichen Muts in Zeiten allgemeiner Mutlosigkeit.‘“ S. 418

Ich vergebe 5 von 5 Leseratten und einen Platz in meiner persönlichen Top-20-Liste.


Das Buch in einem Tweet: "Priscilla" zeigt eine junge Frau, die wir mit all ihren Fehlern aber auch Stärken kennenlernen. Die Biografie berührt, fesselt, fasziniert.

2 Kommentare:

  1. Ach das ist aber eine schöne Rezension! Die macht richtig Lust auf das Buch! ♥

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  2. Ohh, das klingt wirklich toll! Muss ich mir unbedingt merken! Wenn dir solche Bücher gefallen, kann ich dir auch Zwei Leben von Vikram Seth ans Herz legen. Das hat mit total gut gefallen.

    Liebe Grüße
    Cat

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